Haus verkaufen, Kredit noch nicht abbezahlt – was nun?


Immer wieder müssen Hausbesitzer ihr Haus verkaufen, obwohl der Kredit noch nicht abbezahlt wurde. Welche Besonderheiten Sie hier beachten müssen, erfahren Sie in diesem Artikel.

Muss ich mit einer Vorfälligkeitsentschädigung rechnen, wenn ich mein gerade gekauftes Haus wieder verkaufen will?

Haus verkaufen trotz Kredit: Lohnt sich das?

Kann ich meinen Kredit auf den neuen Käufer oder eine neue Immobilie übertragen?


1) Haus verkaufen trotz Kredit: Geht das?

Kurz gesagt: ja. Sie sind zwar eine vertragliche Bindung mit Ihrer kreditgebenden Bank eingegangen und müssen sich an diesen Vertrag generell auch halten. Doch wenn Sie Ihr Haus verkaufen (müssen), haben Sie ein sogenanntes berechtigtes Interesse, den Vertrag vor Ablauf der Vertragslaufzeit zu beenden.

Trotzdem ist die Bank nicht zur Tatenlosigkeit verdammt, denn sie kann für den vorzeitigen Austritt aus dem Darlehen eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Was eine Vorfälligkeitsentschädigung genau ist und wieso die Bank ein Anrecht darauf hat, klären wir im nächsten Kapitel.

2) Was ist die Vorfälligkeitsentschädigung?

Ein Kredit wird grundsätzlich für eine bestimmte Laufzeit abgeschlossen, sagen wir zehn Jahre. Die Bank leiht Ihnen nun also einen bestimmten Betrag und Sie verpflichten sich im Gegenzug, innerhalb der nächsten zehn Jahre jeden Monat einen Teil davon zurückzuzahlen. Sie zahlen jedoch nicht nur das geliehene Geld zurück, sondern außerdem Zinsen, die die Bank dafür berechnet, dass Sie Ihnen das Geld überhaupt erst geliehen hat. Eine monatliche Tilgungsrate von 500 € kann also aus 400 € Tilgung des geliehenen Geldes und 100 € Zinsen bestehen.

Im Laufe der Zeit verdient die Bank über die Zinsen somit Geld – und dieses Geld fällt weg, wenn Sie Ihr gerade gekauftes Haus wieder verkaufen und der Kredit somit mit einem Rutsch abbezahlt wird. Denn Sie zahlen dann nur den noch offenen Kredit zurück, nicht aber die Zinsen, die im Laufe der Jahre angefallen wären. Die Bank hat mit diesen Zinsen jedoch bereits gerechnet. Um die Bank vor einem wirtschaftlichen Verlust zu bewahren, kann sie deshalb eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung verlangen: eine Art Kompensationszahlung für den Zinsschaden.

3) Wie berechnet sich die Vorfälligkeitsentschädigung?

Wenn die Bank Ihnen Geld zu einem Zinssatz von 4 % geliehen hat, bedeutet das, dass sie am Ende der Laufzeit und nach vollständiger Rückzahlung des Kredits mehr Geld hat als vorher. Sie hat das Geld bei Ihnen also gewinnbringend angelegt. Wird der Kredit vorzeitig abgelöst, schwindet dieses Plus. Die Bank wird nun das zurückgezahlte Geld neu anlegen. Aus der Differenz des neuen Zinssatzes und dem weggefallenen alten errechnet sich der Verlust der Bank und somit die Vorfälligkeitsentschädigung.

Die Rechnung:

Alter Zinssatz: 4 %

Neuer Zinssatz: 0,5 %

Verlust: 3,5 % hochgerechnet auf die Laufzeit und die Kreditsumme

- Verwaltungskosten

- Ausfallrisiko

+ Bearbeitungsgebühr

= Vorfälligkeitsentschädigung

Aus dem Beispiel wird deutlich: Je nachdem, wie lang die Restlaufzeit des Kredites und wie hoch die Kreditsumme noch gewesen wären, kann die Vorfälligkeitsentschädigung schnell einen fünfstelligen Betrag erreichen. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass Banken bei der Neuverzinsung des zurückgezahlten Geldes meist von einem möglichst schlechten Szenario ausgehen, denn klassischerweise wird bei der Berechnung zur Vorfälligkeitsentschädigung eine Neuanlage des Geldes in Hypothekenpfandbriefen angenommen – und die werfen meist wenig ab. In diesem Fall legt die Bank der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung einen Aktiv-Passiv-Vergleich zugrunde: Das ehemals geliehene Geld wird nun am Kapitalmarkt angelegt.

Sie können den alten Kredit jedoch auch für die Finanzierung einer neuen Immobilie nutzen oder den Kredit auf den Hauskäufer übertragen. In diesen beiden Fällen muss die Bank, sofern sie der Übertragung zustimmt, auch den besseren Zins zur Berechnung heranziehen. Hierbei handelt es sich dann um einen Aktiv-Aktiv-Vergleich (das ehemals geliehene Geld wird neu verliehen).

Gut zu wissen:
Enthält der ursprüngliche Darlehensvertrag Ihrer Bank keine Widerrufsbelehrung oder eine fehlerhafte, müssen Sie die Vorfälligkeitsentschädigung nicht zahlen, egal wie hoch sie ausfallen würde.

Wenn Sie Zweifel an der Berechnung der Bank haben, lohnt sich eine Überprüfung durch die Verbraucherzentrale. In drei von zehn Fällen, so die Verbraucherschützer, fallen die Berechnungen der Banken zu hoch aus.

4) So entgehen Sie der Vorfälligkeitsentschädigung

Wie bereits erwähnt gibt es einige wenige Möglichkeiten, wie Sie auch ohne Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung Ihre Immobilie verkaufen können:

1) Sie verkaufen Ihre alte Immobilie nur, um sich zu vergrößern. Den alten Kredit wollen Sie deshalb für die Abbezahlung des neuen Hauses nutzen. Die neue Immobilie ersetzt somit die alte als Sicherheit für die Bank im Grundbuch.

2) Sie vereinbaren mit Ihrem Käufer, dass er/sie Ihren alten Kredit übernimmt. Es findet also ein Schuldneraustausch statt.

3) Ihr Kredit läuft bereits mindestens zehn Jahre. In diesem Fall können Sie auch ohne Vorfälligkeitsentschädigung kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt in diesem Fall sechs Monate.

1) Neu gegen alt

Unter Hausbesitzern ist es eine Volksweisheit, dass Banken einer Übertragung der Grundschulden generell nicht zustimmen – also dem Austausch der Immobilie als Sicherheit im Kreditvertrag. Der Bundesgerichtshof hat diese Weisheit jedoch ins Bröckeln gebracht:

Ein Familienvater wollte sein Haus verkaufen, obwohl der Kredit noch nicht abbezahlt war. Konkret wollte er nach der Geburt seines zweiten Kindes die alte Immobilie gegen eine größere eintauschen. Die Bank wollte diesem Tausch jedoch nicht zustimmen, sondern stattdessen die Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Gegen die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung hat der Vater bis zum Bundesgerichtshof geklagt und schließlich Recht bekommen. Der BGH sah es erwiesen an (Aktenzeichen XI ZR 398/02), dass das „schutzwürdige Eigeninteresse“ der Bank in diesem Fall nicht gefährdet sei, da das Risiko des Kreditausfalls durch die neue Immobilie genauso gut abgesichert sei wie durch die alte. Da der Kläger außerdem die Bearbeitungs- und Verwaltungskosten, die der Bank im Zusammenhang mit der Übertragung der Grundschulden entstanden sind, gezahlt hat und ein berechtigtes Eigeninteresse am Immobilienwechsel vorweisen konnte, musste die Bank der Übertragung letztlich zustimmen.

Tipp:
Wenn auch Sie sich vergrößern wollen, dann fragen Sie vorab bei Ihrer Bank nach, ob in diesem Falle eine Vorfälligkeitsentschädigung anfällt und welche Informationen die Bank für eine rechtsverbindliche Antwort von Ihnen benötigt. Vergessen Sie aber nicht, sich auf das oben zitierte Urteil samt Aktenzeichen zu beziehen!

2) Käufer übernimmt Kredit

Wenn Sie Ihren Kredit auf den neuen Immobilienbesitzer übertragen wollen, müssen Sie zuerst das Ja des Käufers einholen. Vielleicht hat er/sie einen besseren Kredit zur Hand, da die Zinsen in der Zwischenzeit gefallen sind oder Ihr Käufer eine bessere Eigenbonität vorweisen kann. Stimmt Ihr Käufer jedoch zu, so benötigen Sie in einem zweiten Schritt das Okay Ihrer Bank. Die Bank wird dem Austausch des Kreditnehmers jedoch nur zustimmen, wenn die Bonität des neuen Schuldners gut ist.

5) Haus vermieten

Nirgendwo steht geschrieben, dass Sie ein neu gekauftes Haus wieder verkaufen müssen. Wenn Sie es nicht mehr halten können oder wollen, können Sie auch eine Vermietung prüfen.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Bei einem guten und solventen Mieter erhalten Sie regelmäßige Mietzahlungen, mit deren Hilfe Sie den Kredit weiter bedienen können. Die Vorfälligkeitsentschädigung ist also kein Thema mehr und auch die Umtragung im Grundbuch entfällt. Im Idealfall bleibt von den Mietzahlungen auch noch ein Plus für Sie über.

Die Nachteile sind jedoch ebenfalls nicht von der Hand zu weisen: Als Vermieter unterliegen Sie dem deutschen Vermietrecht, das klar die Mieterseite favorisiert. Bei ausbleibenden Mietzahlungen oder anderen Streitigkeiten wird es deshalb sehr schnell sehr nervenaufreibend und teuer. Auch ist die Nachfrage nicht in jeder Region gleich hoch. Ob sich die Vermietung für Sie lohnen könnte oder nicht, kann deshalb nur individuell beantwortet werden.

Tipp:
Für Sie käme eine Vermietung in Betracht? Wir verbinden Sie gerne mit unserem versierten Makler aus Ihrer Region, der Sie in allen Fragen rund um die Vermietung oder eben doch den Verkauf kompetent berät.

6) Haus verkaufen, aber Kredit noch nicht abbezahlt – lohnt sich das?

Es ist deutlich geworden: Die Beantwortung dieser Frage hängt von sehr vielen Faktoren ab und ist letztlich immer eine Einzelfallentscheidung. Ob Sie Ihr gerade gekauftes Haus wieder verkaufen oder nicht, sollten Sie sich im Vorfeld also genau überlegen.

Höhe Vorfälligkeitsentschädigung vs. Zinszahlungen

Die Vorfälligkeitsentschädigung ist ein großer Brocken, der erst einmal bezahlt werden will. Gerade wenn er in den fünfstelligen Bereich reicht, tut die Zahlung weh. Im Gegenzug entfallen jedoch die jahrelangen Zinszahlungen, die summa summarum höher wären als die Vorfälligkeitsentschädigung.

Verkaufen vs. vermieten

Je nachdem, welcher Verkaufspreis realistisch ist, sollten Sie auch einmal die Möglichkeit einer Vermietung gedanklich durchspielen. Vielleicht ergibt sich hier ja bisher ungeahntes Potenzial?

Wirtschaftliche Situation bedenken

Die Frage, ob das Haus trotz laufendem Kredit verkauft wird oder nicht, kann auch ganz schnell durch einen Blick auf die aktuelle Lebenssituation beantwortet werden. Wenn Sie beruflich in eine andere Region ziehen müssen, sich in Scheidung befinden oder ein Partner und somit auch dessen Einkommen weggefallen ist, bleibt Hausbesitzern meist keine andere Möglichkeit, als das neu gekaufte Haus wieder zu verkaufen.

Emotionale Lage berücksichtigen

Neben der wirtschaftlichen Situation ist auch die emotionale Lage wichtig für die Entscheidung für oder gegen einen Hausverkauf trotz Kredit. Vielleicht befinden Sie sich in einer Scheidung und können den Anblick des alten Familienheimes nicht mehr ertragen, obwohl Sie es rein theoretisch wirtschaftlich halten könnten. Auch in diesem Fall ist der Verkauf trotz Kredit und somit Vorfälligkeitsentschädigung die bessere Wahl.

Tipp:
Wenn Sie zwar verkaufen wollen, Ihre Zinsbindungsfrist jedoch in wenigen Monaten abläuft, kann es sich lohnen, diese Zeit noch abzuwarten und erst dann den Verkauf in die Wege zu leiten.