Einheitswert berechnen und verstehen
Der Begriff Einheitswert ging vor allem 2018 viel durch die Medien. Doch nur wenige Deutsche wissen wirklich, was sich dahinter verbirgt.
Der Einheitswert ist eine wesentliche Rechengröße für die Bemessung der Grundsteuer und somit in erster Linie für Immobilienbesitzer von Bedeutung. Doch auch viele Mieter zahlen ihren Teil der Grundsteuer, da Vermieter diese Kosten auf die Mieter umlegen dürfen.
In diesem Artikel gehen wir unter anderem den folgenden Fragen nach:
Wie lässt sich der Einheitswert berechnen?
Einheitswert und Grundsteuer: Wie hängt beides zusammen?
Was ist der Einheitswertbescheid?
Wird sich der Einheitswert nach 2019 ändern?
1) Einheitswert berechnen
Der Einheitswert ist eine Rechengröße, der bei der Berechnung der Grundsteuer einen wesentlichen Einfluss hat. Um nachvollziehen zu können, wie die Grundsteuer berechnet wird, muss man jedoch erst einmal das Wesen des Einheitswertes verstehen.
Der Einheitswert ähnelt dem Verkehrswert/Marktwert einer Immobilie, denn auch er gibt den Wert einer Immobilie zu einem bestimmten Stichtag wieder. Im Gegensatz zum Verkehrswert spiegelt der Einheitswert jedoch nicht die aktuellen Marktverhältnisse und somit den aktuellen Immobilienwert, sondern fußt auf den Werten des 1. Januars 1935 (Ost) bzw. 1964 (West).
Der Einheitswert wird so wie der Verkehrswert mithilfe unterschiedlicher Verfahren berechnet. Zur Auswahl stehen das Ertragswertverfahren, das für nahezu alle Immobilien zur Anwendung kommt, und das Sachwertverfahren. Letzteres kommt bei Luxusimmobilien zum Einsatz.
2) Einheitswert ermitteln mit dem Ertragswertverfahren
Das Ertragswertverfahren berechnet den Gewinn, den ein Eigentümer mit einer Immobilie erwirtschaften kann. Die Berechnung kann recht vielfältig ausfallen und ist genauer in unserem Artikel „Zeitwert berechnen“ erklärt. Wird das Ertragswertverfahren zur Berechnung des Einheitswertes herangezogen, so lautet die Formel wie folgt:
Jahresrohmiete 1935/64 x Vervielfältiger = Einheitswert
Handelt es sich um eine selbst genutzte Immobilie, bei der keine Mietzahlungen anfallen, so wird die ortsübliche Vergleichsmiete für Immobilien dieser Art herangezogen. Doch auch hier gilt: Es handelt sich um die ortsübliche Vergleichsmiete, die 1935 oder 1964 galt.
Da das Finanzamt für jede Immobilie den Einheitswert ermittelt, muss sich der Immobilienbesitzer auf der Suche nach der ortsüblichen Vergleichsmiete von 1964 in seiner Straße nicht selbst durch die Archive wühlen. Der Nachteil ist jedoch, dass die Berechnungen des Finanzamtes so wenig transparent sind.
Anders sieht es hingegen beim Vervielfältiger aus. Er hängt von Bauweise und Baujahr der Immobilie sowie der Einwohnerzahl der Gemeinde zu den jeweiligen Stichtagen ab und kann eingesehen werden. Die Anlagen 3 bis 8 des Bewertungsgesetzes geben tabellarisch genau Auskunft.
Beispiele: (nach https://dejure.org/gesetze/BewG/Anlage_7.html)
Bauweise | Baujahr | Gemeindegröße | Vervielfältiger |
---|---|---|---|
Massivbauweise | nach 1948 | 10.000 – 50.000 | 11.8 |
Leichtbauweise | nach 1948 | 10.000 – 50.000 | 11.4 |
Massivbauweise | vor 1895 | 10.000 – 50.000 | 7.4 |
Massivbauweise | vor 1895 | bis 2.000 | 9.5 |
Lage bzw. Einwohnerzahl von 1935/64, Bauweise und Baujahr sind für die Berechnung des Einheitswertes also gleich doppelt von Bedeutung, denn sie beeinflussen nicht nur die Jahresrohmiete (je besser die Lage und die Bauweise, umso höher war auch damals schon die Miete), sondern auch den Vervielfältiger.
3) Einheitswert berechnen: das Sachwertverfahren
Bei Luxusimmobilien liegen nicht genug Daten für die Ermittlung einer ortsüblichen Vergleichsmiete vor. Aus diesem Grund kommt hier das Sachwertverfahren zur Ermittlung des Einheitswertes zur Anwendung, bei dem Gebäudewert und Bodenwert getrennt ermittelt werden.
Bei der Bewertung, ob es sich um Luxusimmobilien handelt oder nicht, gelten ebenfalls die Maßstäbe von 1935 bzw. 1964. So wird bei allen Einfamilienhäusern im Osten Berlins der Einheitswert mithilfe des Sachwertverfahrens ermittelt, da es sich bei diesen Immobilien 1935 ausschließlich um Luxusimmobilien handelte.
4) Einheitswert für unbebaute Grundstücke
Bei unbebauten Grundstücken ist die Ermittlung des Einheitswertes sehr einfach. Hier lautet die Formel:
m² x Bodenwert (zum Stichtag 1. Januar 1964 bzw. 1. Januar 1935)
Die Bodenwerte aus den beiden relevanten Jahren liegen dem Finanzamt vor.
5) Einheitswert und Grundsteuer: So hängt beides zusammen
Wer den Einheitswert für seine Immobilie kennt und die Mechanismen dahinter versteht, kann auch die Höhe der zu zahlenden Grundsteuer besser nachvollziehen – und auch, warum zum Beispiel der Nachbar im Fachwerkhaus (= Leichtbauweise) eine andere Grundsteuer zu zahlen hat als man selbst.
Die Grundsteuer wird in zwei Klassen unterteilt: Die Grundsteuer A fällt für land- und forstwirtschaftliche Betriebe und Flächen an, die Grundsteuer B wird für alle anderen Grundstücke und Gebäude errichtet, also auch für Privatbesitz und Gewerbeimmobilien. In diesem Artikel behandeln wir die Grundsteuer B.
Mit dieser Formel kann das Finanzamt die Grundsteuer berechnen:
Einheitswert x Grundsteuermesszahl x Grundsteuerhebesatz
Der Einheitswert ist zwar nicht nur bei der Ermittlung der Grundsteuer eine wichtige Rechengröße, sondern spielt auch bei der Gewerbesteuer sowie bei der Zweitwohnsteuer eine entscheidende Rolle. In diesem Artikel beschränken wir uns jedoch auf das Beispiel der Grundsteuer.
Die Grundsteuermesszahl ergibt sich aus dem Einheitswert und der Art der Immobilie. Sie gibt an, welcher Teil des Einheitswertes besteuert werden muss.
Die Grundsteuermesszahl bewegt sich in den neuen Bundesländern zwischen fünf und zehn Promille, im ehemaligen Westdeutschland liegt sie mitunter deutlich darunter.
Beispiel:
Hat eine Immobilie den Einheitswert 34.512 € und handelt es sich um ein Einfamilienhaus in einem alten Bundesland (hier im alten Westteil Berlins), so beträgt die Grundsteuermesszahl 2,6 Promille. Die Formel zur Ermittlung der Grundsteuer ließe sich also bereits fast füllen:
34.512 € x 0,0026 x Grundsteuerhebesatz
Die letzte Rechengröße, der Grundsteuerhebesatz, wird von jeder Gemeinde selbst festgelegt. Manche Gemeinden sind eher bescheiden, andere greifen hingegen deutlich zu. Das Grundsteuerranking von Haus und Grund aus dem Jahr 2018 gibt für viele Regionen Deutschlands die Preise an. Den Beginn macht hier Gütersloh mit einem Grundsteuerhebesatz von 381 Prozent, wohingegen Erlangen bereits 500 Prozent verlangt und Spitzenreiter Witten seinen Bürgern starke 910 Prozent zumutet.
Bei unserer Immobilie in Berlin würde ein Grundsteuerhebesatz von 810 Prozent fällig. Unsere Berechnung ist somit komplett:
(34.512 € x 0,0026 x 810) / 100 = 727 € Grundsteuer/Jahr
Da der Grundsteuerhebesatz der einzige Faktor ist, den die Gemeinden eigenständig verändern können, steuern sie hierüber die Gesamthöhe der zu zahlenden Grundsteuer. Viele Gemeinden passen den Grundsteuerhebesatz jährlich an, um so die Grundsteuer erhöhen zu können.
Immobilienbesitzer können jedoch auch einen anteiligen Erlass der Grundsteuer beantragen: Haben Vermieter ihre Immobilie in einem Jahr nicht oder nicht komplett vermieten können und diesen Umstand nicht zu verschulden, kann die Gemeinde auf Antrag 25 bis 50 Prozent der Grundsteuer erlassen.
Manche Immobilien sind sogar gesetzlich von der Grundsteuer befreit. Hierzu zählen Immobilien, die zu gemeinnützigen, kirchlichen, mildtätigen oder hoheitlichen Zwecken genutzt werden sowie Studenten- und Seniorenheime, Jugendherbergen und Krankenhäuser.
6) Das könnte sich 2019 beim Einheitswert ändern
Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2018 der bisherigen Erhebung der Grundsteuer endgültig einen Riegel vorgeschoben, nachdem die gängige Praxis bereits seit Jahren in der Kritik gestanden hatte. Grund hierfür ist der Einheitswert. Da er auf völlig veralteten Daten basiert und somit Immobilienbesitzer ungleich behandelt werden, muss die Berechnung der Grundsteuer bis Ende 2019 neu aufgestellt werden.
Wie diese Neuerung konkret aussehen soll, ist Gegenstand politischer Diskussionen. Das Problem: Die Finanzämter können nicht einfach auf Basis der aktuellen Werte den jeweils neuen Einheitswert berechnen, da die Wertverhältnisse seit 1935 bzw. 1964 so stark gestiegen sind, dass eine eklatante Grundsteuererhöhung die Folge wäre. In der Konsequenz könnten sich viele Immobilienbesitzer ihr Eigenheim nicht mehr leisten und auch die Mieten in den Städten würden vollends unbezahlbar werden, da die Grundsteuer auf die Mieter anteilig umgelegt werden darf.
Hat sich die Politik bis Ende 2019 auf eine neue Regelung geeinigt, haben die alten Einheitswerte noch bis 2024 Bestand, denn die Neuberechnung wird aufgrund der Vielzahl der Immobilien auf deutschem Boden aller Voraussicht nach Jahre dauern.
7) Den Einheitswertbescheid richtig lesen
Das Wichtigste gleich vorweg: Der Einheitswertbescheid ist nicht dasselbe wie der Steuerbescheid. Die dort angegebene Zahl muss also nichtan das Finanzamt überwiesen werden. Vielmehr handelt es sich um den Wert, auf dessen Grundlage nun die Grundsteuer berechnet wird (s. auch das Kapitel „Einheitswert Grundsteuer“).
Der Einheitswertbescheid muss also im Grunde nur gut abgeheftet werden. Wer jedoch Zweifel an der Richtigkeit des errechneten Einheitswertes und somit an der Höhe der Grundsteuer hat, sollte Widerspruch einlegen. Diesen Widerspruch kann man zwar kaum begründen, da der Ottonormalbürger lediglich den zur Berechnung des Einheitswertes herangezogenen Vervielfältiger einsehen kann, nicht jedoch die verwendeten ortsüblichen Vergleichsmieten von 1935 bzw. 1964. Dennoch lohnt es sich, schnell zu handeln, wenn einem die Höhe des Einheitswertes komisch vorkommt: Vergeht zwischen Zustellung des Bescheids und Widerspruch mehr als ein Monat, ist der Widerspruch bereits nicht mehr zulässig.
8) Einheitswert ändern: Ist das möglich?
Da die Werteverhältnissen von 1935/64 und ein gesetzlich festgelegter Vervielfältiger dafür verantwortlich sind, wie die Finanzämter den Einheitswert berechnen, ändert er sich für gewöhnlich nicht.
Trotzdem kann es vorkommen, dass Immobilienbesitzer unterschiedliche Einheitswerte für ihre Immobilie im Laufe der Jahre sammeln. Eine Änderung wird immer dann vorgenommen, wenn sich auch die wirtschaftliche Einheit ändert – sprich die Immobilie vergrößert oder verkleinert oder die Bauweise verändert wurde. Die Feststellung erfolgt dabei zum ersten Januar des Jahres, das auf das Jahr der Veränderung folgt.
Doch auch bereits vor dem ersten Januar werden die neuen Verhältnisse berücksichtigt. Über unterschiedliche Fortschreibungen kann das Finanzamt unterschiedliche Sachverhalte beim Einheitswert unterscheiden:
- Wechselt der Eigentümer, so wird dies mit der sogenannten Zurechnungsfortschreibung berücksichtigt.
- Wurde der Einheitswert nachweislich fehlerhaft ermittelt, doch die Frist zum Widerruf war bereits abgelaufen, so kommt die fehlerbeseitigende Fortschreibung zum Tragen.
- Die Artfortschreibung wird immer dann genutzt, wenn sich die Art der Immobilie geändert hat. So führt beispielsweise der Wechsel der Immobilie von Privatbesitz in Betriebsbesitz zu einer Artfortschreibung. Auch wenn ein unbebautes Grundstück bebaut wurde, kommt es zu einer Artfortschreibung.
- Wurde das Grundstück deutlich vergrößert oder verkleinert, ist die Wertfortschreibung das Mittel der Wahl.
- Ist eine komplett neue Wirtschaftseinheit auf einem Grundstück entstanden, so wird der Einheitswert erstmalig über die sogenannte Nachfeststellung ermittelt.
Da die Berechnungsmethoden des Finanzamtes zum Einheitswert kaum nachvollziehbar sind, können Immobilienbesitzer auch nur schwer vorhersagen, wie sich beispielsweise der Zukauf von Land auf den Einheitswert und somit auf die Grundsteuer auswirken würde. Hier kann es helfen, einen erfahrenen Makler zur Seite zu haben, der über einen größeren Erfahrungsschatz verfügt und zumindest eine grobe Vermutung aussprechen kann.